Im Osten wächst die Wirtschaft doppelt so stark wie im Rest Deutschlands: Das steckt hinter dem kleinen Wirtschaftswunder Ost (2024)

Im Osten wächst die Wirtschaft doppelt so stark wie im Rest Deutschlands: Das steckt hinter dem kleinen Wirtschaftswunder Ost (1)

picture alliance / Jochen Eckel | Jochen Eckel

Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich aus der Krise – gezogen von einem deutlich stärkeren Wachstum in den ostdeutschen Bundesländern.

In diesem Jahr dürfte die Wirtschaft im Osten doppelt so stark wachsen, wie im Rest der Republik, erwartet das IW Halle. „Es ist gut möglich, dass sich eine Wende abzeichnet“, sagte der IWH-Ökonom Axel Lindner Business Insider.

Hinter dem kleinen Wirtschaftswunder Ost steckt längst mehr als Großansiedlungen wie Tesla und Intel. Doch es gibt auch ein besonderes Risiko.

Die deutsche Wirtschaft kommt langsam aus der Krise – gezogen vom Osten. 2024 wächst die Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern doppelt so stark wie in Deutschland insgesamt, erwartet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Dieses Wachstum mag klein sein, es bekräftigt aber einen Trend der vergangenen Jahre. Beim Wachstum hat der Osten die Nase vorn. „Es ist gut möglich, dass sich eine Wende abzeichnet“, sagt IWH-Ökonom Axel Lindner im Gespräch mit Business Insider. Was steckt hinter diesem kleinen Wirtschaftswunder Ost?

Zunächst zu den Zahlen. 2023 war Deutschland in die Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 0,3 Prozent. Was im allgemeinen Krisentrubel fast unterging war, dass die ostdeutsche Wirtschaft gleichzeitig um 0,7 Prozent zulegte. Ein Wachstumsunterschied von einem Prozentpunkt ist eine Menge. „Es ist jetzt mal etwas passiert, was sich pauschal keiner vorstellen kann: Wir sind besser“, konstatierte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider.

Und das nicht zum ersten Mal. Denn seit Jahren weist Ostdeutschland höhere Wachstumsraten auf, als der Rest der Republik. Nicht Bayern oder Baden-Württemberg führen die Rangliste der dynamischsten Bundesländer an, sondern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist neu.

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Und das könnte so bleiben. Bemerkenswert ist, dass ein erheblicher Teil des Wachstums aus dem verarbeitenden Gewerbe stammt. Während in vielen Regionen Deutschlands das Gespenst einer schleichenden Deindustrialisierung umgeht, wächst die Industrie im Osten teilweise mit zweistelligen Raten.

Aufschwung Ost: Die Macht der Einzelfälle

Aber Vorsicht: Dahinter stehen oft einzelne Ansiedlungen oder einzelne Erfolge bestehender Firmen. Das Hochlaufen der Fabrik des E-Auto-Bauers Tesla hat das Wirtschaftswachstum Brandenburgs 2023 nach oben gezogen. In Mecklenburg-Vorpommern legte das verarbeitende Gewerbe 2023 um 19 Prozent zu. Dahinter stand aber vor allem ein Großauftrag. Der große Einfluss solcher Einzelfälle zeigt auch, wie klein die Industrie in den jeweiligen Regionen im Osten immer noch ist.

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Am anderen Ende der Skala fällt bei Rheinland-Pfalz der Rückgang der Impfstoff-Produktion von Biontech ins Gewicht. Im Vorjahr hatte Biontech allein noch an die Wachstumsspitze katapultiert. Insgesamt aber wurden viele etablierte Industrieregionen im Westen mit ihrem höheren Anteil von exportorientierten und energieintensiven Unternehmen schwerer von den Folgen des Ukraine-Krieges getroffen.

Der Aufschwung Ost ist aber breiter geworden. Mitten drin sorgt die wachsende Metropole Berlin für Aufträge und steigende Einkommen auch in umliegenden Regionen. Berlin steht dabei exemplarisch für den Aufholbedarf Ost. Im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen sind die Einkommen in Berlin immer noch gering, sagt IWH-Ökonom Lindner. Ihn stimmt das zuversichtlich, dass der Aufholprozess weitergeht.

Wachstum im Osten: Die Basis wächst

In den neuen Bundesländern etablierten sich zudem viele Standorte als Zentren für gewerbliche, konsumnahe Dienstleistungen, zum Beispiel für Lager und Logistik. Es beginnen sich Cluster zu bilden, das heißt, dass erfolgreiche Unternehmen Zulieferer anziehen, die selbst wieder wachsen. Der Pool gut ausgebildeter Fachleute nimmt ebenso zu wie Kooperationen mit Hochschulen. Standorte werden für Firmen aus verwandten Branchen attraktiver.

Auch deshalb ist der Ausblick positiv. Gerade haben die Wirtschaftsforschungsinstitute reihenweise ihre Prognosen für die Konjunktur nach oben korrigiert. Im Mittel trauen sie der deutschen Wirtschaft 2024 jetzt ein Wachstum von 0,3 Prozent zu. Für den Osten erwartet das IWH aber 0,6 Prozent. „Doppelt so viel, ist natürlich relativ“, weiß Lindner angesichts der kleinen Zahlen. „Aber in den vergangenen zehn Jahren war das Wachstum im Osten immer drüber“.

Im kommenden Jahr würden sich die Wachstumsraten dann wieder stärker angleichen, erwartet Lindner. Das IWH geht davon aus, dass die Wirtschaft in West und Ost dann etwa gleichstark um 1,4 bis 1,5 Prozent zulegt. Lindner ist aber optimistisch, dass der Osten beim Wachstum auch Dauerhaft die Nase vorn haben kann. „Es ist gut möglich, dass sich eine Wende abzeichnet.“

Er weist dabei auch auf eine Besonderheit hin. In den ostdeutschen Bundesländern machen Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer einen größeren Anteil der Einkommen aus als im Westen. Denn Einkünfte aus Vermögen und Unternehmensgewinnen fallen im Osten weniger stark ins Gewicht. Gerade die Löhne und Gehälter sind zuletzt aber kräftig gestiegen – stärker als die Kapitaleinkommen. Das hat den Konsum im Osten stabilisiert. Verstärkt wird dies dadurch, dass die starke Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes seit 2022 die unteren Löhne und Gehälter besonders stark hochgezogen hat. Auch davon profitiert der Osten aufgrund der Lohnstruktur überproportional.

Der Osten braucht Zuwanderung besonders dringend

Ein weiterer Vorteil ist die Nähe vieler Firmen nach Mittel- und Osteuropa. Besonders Polen gehört zu den wachstumsstärksten Ländern in Europa. Für Deutschlands Exporteure sind die Märkte in die Länder Polen, Tschechien und Ungarn zusammen bereits ebenso wichtig wie China. Auch davon profitieren Betriebe im Osten Deutschlands überdurchschnittlich.

Es gibt aber auch eine Wachstumsbremse für den Osten – und zugleich ein großes Risiko für die jüngsten Erfolge: er liegt in der Demografie. Zwar wurde die Nettoabwanderung vor einem guten Jahrzehnt gestoppt. Gerade die Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden wachsen und sind auch für jüngere Menschen attraktiv. Insgesamt aber trifft die Alterung der Bevölkerung den Osten absehbar noch einmal deutlich stärker an den Westen Deutschlands. In der Folge fehlen hier absehbar Arbeitskräfte, um das Wachstum am Laufen zu halten. Was für Deutschland insgesamt gilt, gilt im Osten noch viel mehr: Um Wachstum zu ermöglichen, den Wohlstand zu sichern und die soziale Sicherheit zu gewährleisten, bedarf es einer hohen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Dies gilt also gerade, wo der Anteil der Menschen, die einer stärkeren Zuwanderung kritisch gegenüber stehen, besonders hoch ist. Im September sind Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

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